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Elektroauto ZOE

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Ladesäule Gehrden REWE

Das Wirtschaftlichkeits-Dilemma öffentlicher Stromtankstellen – und meine unausgegorenen Gedanken dazu. An einem Beispiel aus Gehrden.

Sponsoren gesucht

Am 07.05.2021 publiziert die HAZ einen Artikel „Stromtankstellen: Zahl der Nutzer steigt Ende 2020 sprunghaft an“ (Paywall).

Inhalt: Die ENER:GO Energiegenossenschaft Calenberger Land sucht zweieinhalb Jahre nach Inbetriebnahme zweier Elektrotankstellen in meinem Nachbarort Gehrden neue Sponsoren, weil die alten Verträge mit dem Vertragspartner und Betreiber der Ladesäulen (Eon Charge-on) im August 2021 auslaufen.

Stilllegung droht

Trotz steigender Nutzungszahlen sei der Betrieb der Ladesäulen nämlich „angesichts der jährlichen Kosten für Versicherungen, Wartung und Abrechnungen“ noch immer nicht wirtschaftlich. Um die Stromtankstellen nicht schließen zu müssen, sei die Energiegenossenschaft auf neue Sponsorengelder angewiesen, sonst würden die 2018 mithilfe von Fördermitteln erworbenen Ladesäulen stillgelegt und verkauft, befürchtet ENER:GO Geschäftsführer Edmund Jansen.

Er beklagt, dass die insgesamt vier Ladeparkplätze (die beiden Säulen mit je zwei Ladeanschlüssen befinden sich jeweils auf einem Supermarktparkplatz) immer noch häufig leer stünden.

Ladesäule Gehrden CarreeGerade mal geguckt: Stimmt.

Um wirtschaftlich zu sein, „müsste […] regelmäßig mindestens ein E-Auto pro Stunde tanken“ [sic!].

Ist das irgendwie realistisch?

Wat kost dat denn da?

Schauen wir mal kurz auf die Strompreise: An diesen Säulen kann mit Ladekarten diverser Anbieter geladen werden, zu aktuellen Preisen zwischen laut HAZ-Artikel 35 und 49ct/kWh und laut Chargeprice zwischen 31 und 159ct/kWh. (Bei 1,59€/kWh fallen einem die Augen aus dem Kopf, oder? Move – ein schweizer Anbieter…) Plus ggf. monatliche Grundgebühr und zeitabhängige Antiblockiergebühr. Jau.

Wer ist die Zielgruppe?

Bei diesen Strompreisen ist Jansen schon bewusst, dass ortsansässige E-Autofahrer*innen natürlich lieber zu Hause laden wenn irgend möglich. Die fallen also als Kund*innen schonmal weg.

Wer könnte dann eine potenziell kostendeckende Zielgruppe sein? Angeblich – so Jansen – „nutzen viele Autofahrer auf der Durchreise“ die Ladesäulen. Nun, so viele sind es dann offenbar nicht, dass sie für nennenswerten Stromumsatz sorgen. Ich bin mir auch gar nicht sicher, wer da eigentlich durch Gehrden durchreist und dabei so in Ladenot gerät, dass sie oder er diese Säulen ansteuert. Die nächste Autobahn ist relativ weit entfernt und, sorry Gehrden, aber als Ausflugsziel bist jetzt auch nicht so der Brüller.

Bleiben noch die sog. „Laternenlader“, also E-Fahrer*innen, die keine Lademöglichkeit zu Hause oder auf der Arbeit haben und auf öffentliche Lademöglichkeiten angewiesen sind. Wie viele von ihnen mag es geben in Gehrden? Ich tippe auf eine einstellige Zahl nahe Null, denn wer sich in einer solchen Situation befindet und mit dem Gedanken spielt, sich ein Elektroauto zuzulegen, schaut sich natürlich vorher um, wo und zu welchen Kosten sie oder er das E-Auto laden kann. Und bei den Preisen an diesen Ladesäulen wird der Gedanke dann wahrscheinlich ganz schnell wieder fallen gelassen.

So drehen wir uns hier also irgendwie im Kreis. Erstaunlich eigentlich, dass da überhaupt jemand lädt. Ich selbst habe damit aufgehört, als meine Lieblingsladekarten von diesen Säulen nach ungefähr einem Jahr nicht mehr akzeptiert wurden und ich plötzlich deutlich mehr für den Ladestrom zahlen sollte als zu Hause. Ich gehöre also zur privilegierten Gruppe I.

Wirtschaftlichkeit

Die Frage, wie man überhaupt Ladesäulen wirtschaftlich betreiben kann, bewegt die elektromobilen Gemüter schon so lange es Stromtankstellen gibt. Das Dilemma ist: Um die Investitionskosten und die laufenden Kosten für Abrechnungsgedöns und Wartung zu decken, müssen die kWh-Preise so hoch sein, dass sie eher abschrecken. Was wiederum zu nur geringer Auslastung führt. Was wiederum die Preise nach oben treibt etc. pp.

Und wenn die elektrischen Verbrauchskosten pro 100km die Tankkosten eines Verbrenners übersteigen, wird den meisten die Umwelt wieder scheißegal und weiter gedieselt. (Das GE-Forum ist voll von solchen Diskussionen, gähn.)

Die laufenden Kosten einer Ladestation rein über den Stromverkauf decken und dann vielleicht sogar noch einen schmalen Gewinn realisieren zu wollen scheint also nicht unbedingt zielführend zu sein. Deshalb ist die Gehrdener Grundidee, Sponsoren zu finden, die einen Teil der Betriebskosten finanzieren, bis die erhoffte Mindestauslastung genügend Einnahmen für die Deckung derselben generiert, gar nicht so verkehrt.

Aber ist es denn realistisch, dass die zur Deckung aller Betriebskosten notwendige Mindestauslastung mit den o. g. Preisen jemals erreicht wird („regelmäßig mindestens ein E-Auto pro Stunde“)? In Gehrden ist zumindest eine zweite Zuschussrunde erforderlich.

Geld, kWh und Mathe

Die Ladesäulen kosteten 2018 zusammen 18.000,- €. Dafür hat ENER:GO Fördermittel der Region Hannover erhalten. Die Parkplätze wurden von den beiden Supermarktbetreibern zur Verfügung gestellt. Und der Netzbetreiber stellte die Ladesäulen auf.

Im Artikel werden weiterhin sechs Sponsoren erwähnt, die jeweils für insgesamt 3 Jahre 1.500,- € zur Verfügung stellten, in Summe also überschaubare 9.000,- €. Laut Jansen werde nun diese Summe noch einmal benötigt, um mit Eon Charge-on einen Anschlussvertrag abzuschließen.

Das Sponsorengeld fließt also nicht zu lokalen Nutznießern, sondern zu Eon Charge-on, und wofür jetzt genau? Ah ja, für alles, was man braucht, um den Ladestrom abrechnen zu können. Und wahrscheinlich für die technische Wartung, Hotline, den ganzen Kram, den man braucht, wenn eine Säule zickt, weil das Abrechnungssystem spinnt.

Jetzt rechne ich mal was… 9.000,- € für 3 Jahre sind 3.000,- € im Jahr. Nehmen wir mal einen sehr teuren kWh-Einkaufspreis von 30ct an. Für 3.000,- € kann man dann 10.000 kWh finanzieren, jährlich 3 Jahre lang.

Wenn jetzt 8 Stunden täglich ein E-Auto pro Stunde lädt und dabei durchschnittlich 11 kW Leistung zieht (nur wenige E-Autos können mehr an AC, und die, die mehr können, können im Winter deutlich weniger als sie im Sommer können), ist das ein Jahresverbrauch von, Moment… 32.120 kWh.

Dann doch. Dreimal so viel wie mit dem o. g. Sponsorenbudget abdeckbar.

Um das aber mal etwas realistischer zu machen: An den beiden Ladestationen, um die es hier geht, haben seit Inbetriebnahme insgesamt 900 Ladevorgänge stattgefunden, davon rund 250 im letzten Quartal 2020. Interessant wäre es nun, auch die Menge des abgegebenen Stroms zu erfahren, das gibt der HAZ-Artikel jedoch leider nicht her.

Ich schätze dann mal. Ausgehend von den letzten bekannten Quartalszahlen setze ich 1.000 Ladevorgänge im Jahr an. Bei einer durchschnittlichen Ladezeit von einer Stunde bei 11 kW wären das 11.000 kWh Jahresverbrauch. Almost there.

Ihr ahnt natürlich spätestens jetzt, worauf ich hinaus will:

Wäre es nicht sinnvoller, statt teure Abrechnungstechnik und -bürokratie lieber den Ladestrom an sich zu sponsorn?

Ladestrom-Sponsoring: eine Alternative?

Wenn ein Ladesäulen-Projekt wie dieses ohnehin ohne Sponsoring nicht finanzierbar ist, könnte man dann nicht besser einfache Ladetechnik ohne Abrechnungsgedöns, Mobilfunkanbindung, Kartenlesern und sonstigem Schnickedöns installieren? Statt teure Ladesäulen mit teurer, fehleranfälliger Abrechnungstechnik und teuren Wartungsverträgen aufzustellen? Basis-Ladetechnik und gut is. Im Extremfall dübelt man da ’ne schlichte Wallbox für unter 1.000,- € an die Wand. Braucht viel weniger Investitionsvolumen und die Wartungskosten dürften sich auch in einer ganz anderen Größenordnung bewegen, denn wo kaum Technik verbaut ist, kann auch kaum was kaputt gehen.

Und jaaa, das bedeutet: Der Ladestrom wird dann logischerweise umsonst abgegeben. Denn man kann ja dann nix abrechnen.

Ich weiß, das ist ein ganz krasser und abwegiger Gedanke in Deutschland.

Wenn wir in die obigen Rechnungen die Ersparnis bei der Investition in die Hardware einbeziehen, sieht das Ergebnis noch viel besser aus. Nehmen wir mal an, die Ladesäulen hätten statt 18.000,- € nur 8.000 ,- € gekostet, dann stünden weitere 10.000,- € zur Verfügung, genug für über 33.000 kWh. Ein ganzes Jahr lang 8 Stunden täglich ein E-Auto pro Stunde.

Oder vielleicht doch nicht, dann wären wahrscheinlich weniger Fördergelder geflossen. Was wiederum die Belastung der Gesellschaft – also von uns allen – reduziert hätte. Auch gut.

Wer gewinnt?

Also rechnet sich das nun oder nicht oder was?

Kommt drauf an, wie weit man gucken will. Am Ende gewinnen wir alle, denn je weniger fossile Treibstoffe verbrannt werden, um so besser.

Folgende Gruppen würden aus meiner Sicht von einem solchen Sponsoring-Szenario besonders direkt profitieren:

  1. Die Laternenlader
    Sie hätten eine verlässliche Möglichkeit, ihre E-Fahrzeuge im Ort aufzuladen, praktischerweise während des Einkaufs, ohne finanzielle Belastung. Was E-Mobilität nochmal für eine ganz andere Zielgruppe attraktiv und leistbar macht. Und da wollen wir doch als Gesellschaft hin, oder?
  2. Die Sponsoren
    Hier ist das Stichwort Kundenbindung. Wenn da eine kostenlose Ladesäule am Supermarkt steht, fahre ich da gern extra hin, und dann geh ich da natürlich auch einkaufen. Machen nicht alle, ich weiß. Aber doch die mit einem Grundverständnis von Fairness. Der Supermarkt nebenan, der keine Ladestation hat, sieht mich nicht mehr. Zumindest so lange nicht, bis ich da ebenfalls während des Einkaufs laden kann. Ab dann entscheidet wieder das Sortiment.
  3. Die Region
    Die Sponsorengelder bleiben in der Region, fließen zumindest zum Energieversorger statt in eine Zahlungsabwicklungsbürokratie. Kostenloser Ladestrom könnte sogar Durchreisende dazu verleiten, eine Pause einzulegen und im Supermarkt und/oder der Gastronomie vor Ort etwas Geld zu lassen. Etwas mehr Geld als der Strom im Einkauf kostet. ?

Schnäppchenjagd

Aber. Wir wissen: Wo es was für lau gibt, kommen sie alle. Wer kennt sie nicht, die vollelektrischen oder alibi-elektrischen Oberklassefahrzeuge an den wenigen verbliebenen kostenlosen Ladesäulen dieser Republik.

Es ist also zu erwarten, dass eben nicht nur Laternenlader solche Ladestationen frequentieren werden – und dass die Auslastung dramatisch ansteigt. Was in diesem Szenario nicht unbedingt zu Wirtschaftlichkeit, sondern zu mehr Sponsoring-Bedarf führt.

Mitbewerber

Das alles gibt es schon längst, sogar in Gehrden: Keine 500m von der teuren und defizitären Ladesäule am REWE entfernt kann man bei Lidl gratis laden.

Lidl löst das  Wirtschaftlichkeits-Dilemma mit einer Beschränkung der Ladeleistung auf max. 11kW, Begrenzung der Ladezeit auf eine Stunde und neuerdings oder demnächst noch mit Freischaltung der Ladesäule mittels Lidl-E-Charge-App für registrierte Kund*innen.

Kann man so machen. Ich für mich und meine 22kW-fähige ZOE kann sagen, dass ich dafür zu faul bin, mein Ladekabel rauszukramen. Also fahre ich da gar nicht erst hin. Kundenbindung verfehlt.

Diverse EDEKAs in Hannover und Umgebung sind für mich deutlich attraktiver: 22kW AC ohne Schnickschnack; einfach einstecken und laden. Aber auch das mache ich inzwischen nur noch, wenn ich ohnehin gerade in der Nähe bin. Zweifellos würde es sich für mich „rechnen“, extra 10 oder sogar noch mehr km zu einem solchen Supermarkt zum Einkaufen zu fahren, aber es kommt mir zunehmend idiotisch vor, wenn es doch Einkaufsmöglichkeiten gibt, die deutlich näher liegen.

Übrigens gibt es bei uns im Dorf seit neuestem die Möglichkeit, kostenfrei ein E-Lastenrad zu leihen. Nur mal so nebenbei erwähnt. Vielleicht brauche ich ja irgendwann in naher Zukunft gar kein eigenes Auto mehr…

Deckel drauf

Tja, Leute, ich weiß letztlich auch nicht, was die beste Lösung ist. Je länger ich darüber nachdenke, desto vertrackter werden die Knoten in meinem Kopf.

Plausibel erscheinen mir ein paar Rahmenbedingungen, damit Elektromobilität in der Breite der Gesellschaft funktioniert. Dazu gehört, dass die reinen Verbrauchskosten eines E-Autos nicht über denen von Verbrennerfahrzeugen liegen sollten. An öffentlichen Ladesäulen (die übrigens fast immer mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sind) sollte der Preis (für AC zumindest) entsprechend gedeckelt werden. Das darf einfach nicht teurer sein als Sprit, sonst kommen wir von dem Giftzeug nie weg, weil es für alle, die so in ihr unmittelbares Tagesgeschäft verstrickt sind, dass sie praktisch nie über ihren Tellerrand gucken können, unattraktiv erscheint.

Idealerweise läge der öffentliche AC-Autostrompreis nur wenig über dem, was Strom zu Hause kostet. Laternenlader brauchen allerdings auch keine Wallbox zu kaufen und installieren zu lassen, das kann man gern bei der Strompreisgestaltung berücksichtigen.

Oh, da höre ich eine Frage… ja bitte? Wer das deckeln und etwaige Differenzen bezahlen soll?

Also deckeln müsste es wohl der Gesetzgeber. Kann ja dynamisch an irgendwas gekoppelt sein, muss nur fair bleiben.

Und zahlen… Och, da fallen mir einige solvente Gruppierungen ein, die bislang eher als Verursacher denn als Löser gesamtgesellschaftlicher und globaler Probleme negativ auffallen: Rüstungskonzerne, Betreiber fossiler und atomarer Kraftwerke, Hersteller problematischer Pestizide, massentierhaltende Unternehmen und Schlachtbetriebe… Hab ich Rüstungskonzerne schon erwähnt, den großen blinden Fleck im deutschen Auge?

Da fällt uns schon was ein, wenn wir nur wollen.

Ja ja ja… Over and Out.

The post Dilemma appeared first on Elektroauto Renault ZOE - Elektromobilität im Alltag.

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